
Max und seine Oma in schweren Zeiten
„Oma, was heißt scheiden? Mama und Papa sagen das jetzt immer wenn sie ganz laut streiten“ Damit hat Max (6 Jahre) seiner Oma eine Nachricht überbracht, die ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Ehe ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter ist in einer Krise, der Ausgang ist ungewiss, das Wort „Scheidung“ ist ausgesprochen und liegt jetzt in der Luft.
Vielleicht mochte Oma die Schwiegertochter nie so recht von Herzen und versteht ihren über alles geliebten Sohn. Sie hat es ja „kommen sehen“, dass er es mit dieser Frau nicht lange aushalten würde. Seit der Hochzeit musste ihr armer Sohn sogar seine Hemden selbst bügeln!
Und die Karriere war der Schwiegertochter fast so wichtig wie die Familie, das konnte Oma nie verstehen, ja, für sie war das eine unglaubliche und inakzeptable Einstellung für eine Frau. Dass sie dabei auch noch erfolgreicher war als ihr Sohn kam erschwerend dazu. Das konnte einfach nicht gut gehen!
Hoffen wir, dass Oma ihre düstere Prophezeiung nicht nur früher für sich behalten konnte, sondern vor allem jetzt für sich behalten kann. Sonst ist für die Beziehung von Oma und Max „Gefahr im Verzug“. Denn wenn der Sohn tatsächlich auszieht, dann ist Oma darauf angewiesen, dass die Schwiegertochter die wöchentlichen Treffen von Oma und Max auch weiterhin unterstützt. Das wird sie aber kaum tun, wenn sie Angst hat, Max würde auf die eine oder andere Weise mitkriegen, was sie in Omas Augen für eine „Fehlentscheidung“ ihres Sohnes war.
Auch Max müsste innerlich ein bisschen von Oma abrücken, wenn sie seine geliebte Mama schlechtmachen würde. Und wenn sie gar nicht merken würde, dass sein Papa manchmal ziemlich gemein zur Mama ist.
Die Welt von Max ist aus den Fugen geraten, sie ist unsicher geworden. Er hat jetzt fast immer Bauchweh. Er wünscht sich bei Oma Sicherheit, Ruhe und Frieden. Er wünscht sich, dass sie ihm erklärt, was die Großen da machen und was mit ihm jetzt passiert. Er wünscht sich, dass die Oma versteht, wie sehr er seinen Papa UND seine Mama lieb hat und dass er keinen verlieren will.
Die Oma kann gut malen und sie malt mit Max Bilder von der ganzen Familiengeschichte: wie Papa und Mama ein Liebespaar waren und dann vor Freude ganz aus dem Häuschen als Max auf die Welt kam. Wie sie in die neue Wohnung gezogen sind und er seinen Freund Daniel kennen gelernt hat. Und dann malen sie ein Streitbild mit Donner und Blitz, denn Max und Daniel haben oft und ziemlich heftig gestritten. Jetzt versteht Max, dass die Großen auch nicht viel anders streiten als die Kinder: sie schreien sich an, sie knallen den Telefonhörer hin und sie schmeißen die Türen zu. Sie beschimpfen sich dann sogar mit ganz komischen Wörtern. Oma erklärt Max kichernd „Zicke“ und „Korinthenkacker“ und er findet, dass da was dran ist: Mama kann schon manchmal wie eine Prinzessin auf der Erbse machen, wenn sie nicht mehr in ein Lieblingskleid passt und Papa kann sich stundenlang aufregen, nur weil der Schraubenzieher in der falschen Schublade liegt.
Max versteht jetzt, dass die Streitereien von Papa und Mama nichts mit ihm zu tun haben, die beiden sind einfach traurig und wütend und enttäuscht, weil sie sich das miteinander anders vorgestellt haben. Darum weint die Mama jetzt oft und der Papa rennt stumm aus dem Haus und alles ist so anders und komisch geworden.
Oma macht ihm immer wieder deutlich, dass er an dem Streit nicht schuld ist und versichert ihm, dass ihn beide, seine Mama und sein Papa genauso lieb haben wie immer. Nur sind sie jetzt mit sich selber so beschäftigt, dass sie gar nicht merken, wie verunsichert und verstört ihr kleiner Sohn ist.
Wenn Eltern sich trennen, sagt ihm Oma, dann bleiben sie trotzdem Eltern. Dann müssen sie erst mal lernen wie sie das auseinanderhalten: dass sie keine Verliebten mehr sind und doch für ihre Kinder gemeinsam zuständig: für die Kindergartensachen, für die Schulsachen, für die Gesundheitssachen und für alles, was mit den Kindern zu tun hat. Das ist gar nicht so einfach, weil sie so wütend aufeinander sind. Oma versichert ihm, dass seine Mama und sein Papa das schon hinkriegen und beide überlegen, wie es für Max ein bisschen leichter sein kann.
Oma schlägt ihm vor, dass sie mit Mama und Papa redet und sie beide fragt, ob Max mit ihr in den Ferien zwei Wochen in ihrem Häuschen am See verbringen kann, da wo sie alle oft waren. Max freut sich und findet, dass die Großen sich in der Zeit einig werden und sich wieder vertragen könnten. Die Oma sagt, das hoffen wir aber wir wissen es nicht. Wenn sie auseinanderziehen, dann ist das auch kein Weltuntergang, dann hat Max zwei Zuhause und kann zweimal Geburtstag feiern und zweimal Weihnachten und alle Feste mit Mama und alle Feste mit Papa. Max versteht, dass lieb haben nicht von der Wohnung abhängt: er darf seine Eltern beide lieb haben, auch wenn der eine da wohnt und der andere dort. Und dann malen sie beide zwei Häuser und den Max, wie er vom Papa zur Mama pendelt und beim Papa neue Freunde kennen lernt und bei der Mama mit Daniel im Baumhaus spielt.
Max setzt sich auf den Schoß von seiner Oma und merkt, dass er plötzlich gar kein Bauchweh mehr hat. Und keine Angst mehr, dass er einen verliert.
